<< Neues Bild mit Text >>

 

Gurnah, Abdulrazak :

 

Das verlorene Paradies

 

Nobelpreis für Literatur 2021

 

Übersetzung: Leipold, Inge, 363 S.

978-3-328-60258-3 

- Penguin Verlag München

GEB 25,00 EUR  

 

Am 25.9.1998 las Abdulrazak Gurnah in unserer Buchhandlung aus seinem Roman „ Das verlorene Paradies“ Dieses Jahr wird dem Autor der Nobelpreis für Literatur verliehen. In deutscher Sprache waren bis jetzt seine Bücher vergriffen.

„Das verlorene Paradies“ wurde  in neuer Übersetzung nun im Penguin Verlag wieder  neu aufgelegt.

 

Vor dem Hintergrund verschiedener afrikanischer Kulturen geht es um die Geschichte des jungen Yussuf, der im Alter von 12 Jahren einem reichen Händler übergeben wird, als Pfand für die Schulden der Eltern. Er wäschst nun zwischen  Marktständen und Karavanenxpeditionen auf. Der Reiz des Romanes liegt nicht nur darin, dass er ein Stück der Suaheli-Gesellschaften wiederaufleben lässt, die dem kolonialen Raubzug zum Opfer gefallen sind, sondern er führt auch in ein Meer von Geschichten mit Anspielungen auf heute fast vergessene Romane wie Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ oder Naipauls „An der Biegung des großen Flusses“ – ein vielseitiges, spannendes und einfach wunderbares Buch.

 

Empfohlen von Monika Rieth

 

»Das verlorene Paradies« ist ab 7. Dezember 2021 im Penguin Verlag wieder lieferbar

 

Eva Demski

 

Scheintod

 

Insel Verlag

Mit einem Nachwort von Wolfgang Schopf

419 Seiten. Gebunden mit Schutzumschlag

Ca. € 20,- (D)

978-3-458-17896-5

Neuausgabe 9. Dezember 2020

 

 

Frankfurt am Main 1974. Ein Anwalt wird tot in seiner Kanzlei aufgefunden. Die Umstände seines Todes sind ungeklärt. Die Polizei ermittelt: Er war Anwalt der linken Szene, zu seiner Klientel gehörten RAF-Mitglieder, Rocker, Junkies und Strichjungen. Seine Frau, die seit drei Jahren von ihm getrennt lebt, beginnt, sich noch einmal mit ihm auseinanderzusetzen: mit seiner Arbeit, seinem Leben – und ihrer Liebe. Was weiß sie eigentlich von diesem Mann, den sie einmal geliebt hat, der ihr so vertraut war?
Bald gerät die Witwe selbst ins Visier der polizeilichen Ermittlungen, wird der Mitwisserschaft an politischen Aktivitäten verdächtigt, während sie verschlüsselte Botschaften aus dem politischen Untergrund erhält. Um zu begreifen, sucht sie seine Kollegen auf, Mandanten aus der Halbwelt, Genossen und ehemalige Revolutionäre und kehrt in dunklen Spelunken ein.
Immer tiefer wird sie in ein verborgenes Leben des Toten hineingezogen, der ihr gleichzeitig immer fremder wird.

Scheintod ist der Roman einer Liebe zu Zeiten großer politischer Unruhen. Eva Demski erzählt unsentimental, doch mit feinem Gespür von einer Frau, die vor die Herausforderung gestellt wird, ein Leben im Tod zu ergründen und dabei Erinnerungen und Zweifel, Trauer und Verlust zu bewältigen.

 

Originaltext von der Website Frankfurt liest ein Buch 2021

 

Die Autorin:

Eva Demski, geboren 1944 in Regensburg, lebt in Frankfurt am Main. 

Ihr literarisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet,

2018 erhielt Eva Demski den George-Konell-Preis der Landeshauptstadt Wiesbaden.

 

 

 

 

 

Benedikt Wells

 

 

Die Wahrheit über das Lügen

zehn Geschichten

 

Diogenes Verlag

256 Seiten

22,00 €

 

"Ein Kuss der Muse bewirkte schon Wunder, mit ihr zu schlafen machte aus einem Durchschnittsmenschen ein Genie.“- Die Muse, S.52

 

Wie das so ist mit einer Muse zu schlafen, könnte man ihn am besten gleich selbst fragen - Benedict Wells. Wenn man einen Blick in seine Bibliographie wirft, hat man den Eindruck, als würden ihm die Musen wohl scharenweise nachlaufen. Nach dem Erfolg mit dem ,,Ende der Einsamkeit“, schafft der 34-jährige es erneut, mit seinem Erzählen in den Bann zu ziehen. Diesmal mit 10 ausgewählten Kurzgeschichten, die von Durchschnittsmenschen wie Undurchschnittsmenschen handeln. Kenner von ,,Das Ende der Einsamkeit“ werden die 2 Geschichten besonders freuen, in denen es ein Wiedersehen mit bekannten Charakteren gibt. Mal sind es alltägliche Begebenheiten, etwa der Familienvater, der auf einsame Wanderung geht und dabei die Orientierung verliert. Andermals sind es fantasiereiche Was-wäre-wenn-Situationen. Die Erfindung des größten Science-Fiction Franchises der Welt wird in der titelgebenden Geschichte mal auf etwas andere Weise erzählt. Die Suche nach der Wahrheit und Entlarvung von (Selbst)lügen – dies scheint alle Geschichten zu vereinen. Durch die lebendigen und feinsinnigen Charakterisierungen, die Kurzweiligkeit und Sprachgewalt, vermag es Wells in  wenigen Seiten den Leser eintauchen zu lassen in Lebensrealitäten verschiedenster Menschen, die überraschen, fesseln und nachklingen.

 

Ob die Sache mit der Muse nun Wahrheit oder Lüge ist, feststeht: Dieses Buch ist eine Empfehlung!

 

 

Empfohlen von Johannes Teschner

Dirk Kurbjuweit

 

Die Freiheit der Emma Herwegh
 

Hanser Verlag

366 S.

23,-€

 

 

 

Zunächst eine Warnung: dies ist kein Heldenepos über den mutigen 1848er-Revolutionsführer Georg Herwegh und die an seiner Seite stehende tapfere Frau Emma, die mit ihrem Freiheitswillen allen Konventionen der Zeit trotzt. Nein, dieser wunderbare historische Roman zeichnet seine Figuren sehr differenziert mit ihren Licht- und Schattenseiten. Gerade der im 19.Jahrhundert überaus populäre, aber offenbar auch grenzenlos egozentrische Freiheitsdichter Georg Herwegh („Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“) büßt hier viel von seinem heroischen Pathos ein. Zu dreist waren seine unaufhörlichen Liebeseskapaden auf Kosten seiner Frau Emma, zu dilettantisch ausgeführt war sein Versuch, mit einer „Deutschen Demokratischen Legion“ im Jahre 1848 die Revolution vom französischen Exil aus im Großherzogtum Baden zu entfachen.


All dies wird in diesem Buch sehr anschaulich erzählt, und während sich dem Leser die Person Georg Herwegh immer weiter entfremdet, gewinnt das Leben seiner Frau Emma immer deutlichere Konturen. Wir lesen vom Kennenlernen der beiden Liebenden im vorrevolutio-nären Berlin: Georg bereits in ganz Deutschland wegen seiner Gedichte bejubelt und verfolgt, Emma die höhere Tochter aus sehr reichem Hause, aber mit unbändiger Freiheitssehnsucht. Wir erleben mit ihnen die Februarrevolution  1848 in Paris. Wir nehmen mit den beiden am revolutionären Feldzug in Südbaden teil, der im Fiasko endet. Wir erfahren ungläubig staunend, welch aberwitzige Drei- und Vierecksverhältnisse  bereits in der damaligen Zeit ausgelebt werden konnten – und wir genießen die altersweisen Lebensschil-derungen der 77jährigen Emma, die sie dem damals jungen Frank Wedekind im Pariser Exil gibt.


Dem Autor Dirk Kurbjuweit ist ein historischer Roman gelungen, der tief in das damalige Geschehen eintauchen lässt.  Wer sich für Hoffnung und Scheitern von Freiheitsbewegungen interessiert, soll dieses Buch unbedingt lesen!

 

Empfohlen von Wolfgang Kiekenap

 

 

 

 

Ta-Nehisi Coates
 

 

Zwischen mir und der Welt

 

 

Hanser Verlag Berlin

übersetzt von Miriam Mandelkow

geb. 240 Seiten
19,90 €

 

 

Rassistische Gewalt bildet das Fundament der amerikanischen Gesellschaft .Der 1975 in Baltimore geborene Journalist Ta-Nehisi Coates beschreibt in einem emotionsgeladenen Essay,der an seinen Sohn gerichtet ist, die US-amerikanische Gesellschaft 150 Jahre nach dem Ende der Sklaverei als strukturell rassistisch.Dass Schwarze immer wieder von der Polizei erschossen, mißhandelt und drangsaliert werden, ist für ihn kein Problem der Polizei oder die Tat Einzelner, sondern wurzelt tief in der Psyche der Bevölkerung. Diese Tatsache wird auch von den meisten Schwarzen und anderen ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen anerkannt . Die daraus entstehende Angst sitzt tief in den Menschen , führt zu Perspektivlosigkeit und Gewalt in den Ghettos.

Ta-Nehisi Coates`Argumente wiegen schwer, denn er untermauert sie mit Zahlen und Fakten von der Segregation in den Städten bis zur Ausgrenzung Schwarzer beim Vermögensaufbau.
Dass diese unerträgliche Situation von Autor nicht nur referiert, sondert buchstäblich am eigenen Leib erfahren wird, macht die Dringlichkeit dieses Buches aus.

Sein leidenschaftlicher Essay, der als Brief und und Appell an seinen Sohn gerichtet ist und in welchem er sein eigenes Leben zur US-amerikanischen Gegenwart in Beziehung setzt, macht die Wut des Autors deutlich.
Ta-Nehisi Coates macht sich keine Illusionen und keine Hoffnungen in seiner brillanten Analyse der amerikanischen Gesellschaft.
In seiner Wucht und Schärfe, in seiner Deutlichkeit hat mich dieses Buch tief beeindruckt. Ich kann jedem die Lektüre dieses , wie ich finde, sehr wichtigen Buches nur ans Herz legen.

 

Empfohlen von Peter von dem Broch

 

 

Michel Bergmann

 

 

Weinhebers Koffer

 

 

Edition Kattegat/Dörlemann-Verlag 2015

141 Seiten

16,90

 

 

 

 

 

Der Journalist und Filmemacher Elias Ehrenwerth ist auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Geburtstagsgeschenk für seine Freundin. Bei einem Berliner Trödler entdeckt er einen alten, gut erhaltenen Koffer, der unter dem Tragegriff zwei goldgeprägte Initialen hat: L.W. Elias kauft den Koffer ohne lange zu überlegen, denn mit ihm scheint er das perfekte Geschenk für seine Freundin Lisa Winter gefunden zu haben. Später zu Hause entdeckt er in einer Stoff-Innentasche des Koffers eine angegraute Visitenkarte. Augenblicklich ist seine Neugier geweckt. Der Journalist ist elektrisiert, wittert er doch möglicherweise eine spannende Story. Umgehend beginnt Elias mit seiner Recherche, um so viel wie möglich über den früheren Besitzer des Koffers, einen gewissen Dr. phil. Leonard Weinheber aus Berlin-Wilmersdorf herauszufinden. Seine Spurensuche führt ihn in das heutige Israel und in die deutsche Vergangenheit. Elias findet heraus, dass Leonard Weinheber Schriftsteller war. 1939 befand er sich mit weiteren 700 Juden aus verschiedenen europäischen Ländern auf der Adriatica, einem Flüchtlingsschiff auf dem Weg von Marseille nach Jaffa. Doch in Palästina kam lediglich sein Koffer an, und der tauchte fast 70 Jahre später wieder in Berlin auf. Elias spürt der Sache weiter nach: In Israel trifft er den Mann, der den herrenlosen Koffer 1939 an sich genommen und aufbewahrt hat. Neben Kleidungsstücken und einer Schreibmaschine befanden sich auch ein Bündel Briefe und ein Roman-Manuskript darin.

Geschickt und wirkungsvoll lässt Michel Bergmann Romanfragmente und Briefe der bereits in Palästina lebenden Freundin von Leonard Weinberger Lenka Rosen in seine Erzählung einfließen. Damit liefert er nicht nur Puzzlestücke für Elias' Recherche, sondern veranschaulicht sowohl die beklemmende Atmosphäre als auch die sich immer dramatischer zuspitzende Situation für die deutschen Juden seit der Reichspogromnacht. Heute ist uns bekannt, wohin das alles geführt hat und dass auch die Staatsgründung Israels 1948 eine Konsequenz der nationalsozialistischen Politik des Vertreibens und Mordens war. Und hier schlägt der Autor den nächsten Bogen: Er thematisiert die Infragestellung des Existenzrechts Israels, die inneren Widersprüche und Probleme der israelischen Gesellschaft sowie das Verhältnis zu und den Umgang mit den Palästinensern. Es sind große, komplexe und strittige Fragen, die Michel Bergmann in seinem zwar nur 140 Seiten zählenden, dafür aber umso gewichtigeren Roman anspricht. Seine Themen sind der Verlust von Rechten, Vertreibung und Flucht, und der legitime Kampf für das eigene Existenzrecht. Michel Bergmann erzählt mit viel Empathie, einem wunderbaren Humor, aber auch streitlustig und ironisch. Herausgekommen ist ein feines kleines Buch, das keine schnellen Antworten bietet, aber viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren birgt.

 

Empfohlen von Ralph Wagner

 

 

Ruth Ozeki

 

Geschichte für einen Augenblick
 

 

S.Fischer-Verlag

geb. 566 Seiten

19,99 €



„Hallo! Ich heiße Nao und bin ein Zeitwesen. Weißt du, was ein Zeitwesen ist? Wenn du einen Moment Zeit hast, erzähl ich es dir.“
So beginnt das Tagebuch des japanischen Teenagers Nao, das eines Tages am Strand einer kanadischen Pazifikinsel angespült wird.Nao schreibt von ihrer Einsamkeit und von Mobbing durch ihre Schulkameraden, vom depressiven Vater, der sich immer mehr in sich selbst zurückzieht, von ihrer schillernden Urgroßmutter Jiko und den Geheimnissen des Zen.
Die Schriftstellerin Ruth, die das Tagebuch am Strand findet, ist bald wie gebannt von Naos Notizen und beginnt zugleich um deren Leben zu fürchten.
Hat Nao letztlich Selbstmord begangen? Ist Sie im Tsunami umgekommen?
Durch die Auseinandersetzung mit Naos Erzählung verändert sich auch der Blick der Autorin auf ihr eigenes Leben und sie muss sich vielen teils auch unangenehmen Fragen stellen.
Ruth Ozekis wunderbarer Roman erzählt von globalen Katastophen genauso wie von alltäglichen kleinen Entscheidungen, die das Leben ihrer beiden Heldinnen beeinflussen.
Die tiefe Zuneigung, die die Autorin für ihre Figuren empfindet und an uns weitergibt, die fesselnde Geschichte und die wunderschöne klare Sprache des Romans haben mich total begeistert und ich kann das Buch nur jedem Leser ans Herz legen.


Empfohlen von Peter von dem Broch

 

 

Jean Echenoz
 

14

Aus dem Französischen von

Hinrich Schmidt-Henkel

 

Hanser Verlag
geb.  125 Seiten,

14,90 €


Einfach nur „14“, mehr nicht, das ist der Titel des neuen Romans von Jean Echenoz. Eine schlichte Zahl, die für den Beginn des I. Weltkrieges steht. Nicht gänzlich unerwartet und dennoch überraschend wurde an einem Samstag im August jenes Jahres ein Krieg begonnen, der mit einem noch nie da gewesenen Aufgebot an Soldaten und Kriegsmaterial geführt wurde. All dies ist geschichtsbewussten Menschen bekannt, jede(r) Interessierte kann sein Wissen zudem mit der Lektüre der zum Jahrestag des Kriegsausbruchs erschienenen Sachbücher, Romane, Erinnerungs- und Briefbände, ja sogar mit Lyrik erweitern. Selbstredend steht auch umfangreiches Filmmaterial zu Verfügung. Was also lässt gerade dieses schmale Buch aus der Fülle des Angebots herausragen, warum möchte ich es Ihnen empfehlen? Jean Echenoz ist ein Meister der Verdichtung. Er beherrscht die Kunst, auf gerade mal 125 Seiten das Wesen des Krieges – aller Kriege, möchte ich fast behaupten – zu veranschaulichen, ja spürbar werden zu lassen. Fünf junge Franzosen werden auf ihrem Weg in und durch den Krieg begleitet. Ihre Schicksale stehen exemplarisch für das Leben und Sterben von Millionen Soldaten. Auch in diesem Buch bedient sich der Autor wieder seiner einzigartigen und bewährten Methode, uns mit großen und kleinen Stichworten eher nur ein Gerüst als eine entwickelte Erzählung zu liefern. Begriffe wie Angst, Etappe, Giftgas, Läuse, Langeweile, Militärpolizei, Schützengraben, Verpflegungsknappheit, um nur einige zu nennen, genügen, um eindrückliche Bilder des Soldatenlebens im Krieg Gestalt annehmen zu lassen. Immer Distanz zu Handlung und Personen wahrend, nie (be)urteilend, präzise in der Schilderung von Details, in indirekter Rede und lakonischem Ton schafft Echenoz es, die Brutalität, den Schrecken und die Absurditäten des Krieges zu beleuchten. In ihrer vermeintlichen Einfachheit ist die Ökonomie dieser Schreibkunst atemberaubend beeindruckend.

Empfohlen von Ralph Wagner

 

Amos Oz

 

Unter Freunden

Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler

 

suhrkamp taschenbuch 4509

216 Seiten

7,99 €

 

 

Acht kurze Geschichten aus dem Kibbuzleben der Fünfziger Jahre. Sie erzählen von den spezifischen Lebensumständen, den gesellschaftlichen Entwürfen, dem Spannungsverhältnis zwischen Kollektiv und Individuum, der Nachbarschaft zu einem zerstörten arabischen Dorf, den Patroulliengängen, der heiß diskutierten Frage, ob die Kinder nachts ins Kinderhaus oder zu ihren Eltern gehören. Wo endet die Freiheit des Einzelnen, wo muss sie sich den Entscheidungen der Gemeinschaft beugen?


Diese Thematik allein wäre schon eine Lektüre wert. Aber das neue Buch von Amos Oz geht wesentlich tiefer: „Diese Geschichten erzählen von den elementaren Kräften menschlicher Existenz. Von Einsamkeit. Von Liebe. Von Verlust. Von Tod. Von Sehnsucht. Von Verzicht und Verlangen. Also von den grundlegenden Dingen, die jeden betreffen.“ (Amos Oz). 


Vor dem spezifischen Hintergrund des imaginären Kibbuz  Jikhat  schildert der Autor die Menschen, die sich dort begegnen. Seine Geschichten sind  minimalistisch konzipiert,  schlicht,  mit oft ganz einfachen Bildern, und doch von einer enormen Wirkungskraft. Die nächtlichen Qualen, die ein kleiner  Junge im Kinderhaus durchlebt, die lichte Stelle am Finger einer Frau, die ihren Ehering abgelegt hat… viele menschliche Tragödien finden in kurzen Alltagsbeschreibungen einen  intensiven Ausdruck. Die unterschiedlichsten  Charaktere mit ihren Schwächen und Stärken prägen die acht Geschichten. Menschliches, Allzumenschliches  oder Kibbuz-Erzählungen?  Das Buch vereint  beides  in einer großartigen literarischen Form. Sicherlich auch eine Herausforderung an die Übersetzerin:  Kein Wort zuviel, nichts wirkt überhöht oder überladen.  Kleine Geschichten, aber große Literatur: Unspektakulär, nüchtern und doch sehr poetisch.

 

Empfohlen von Norbert Weidl

 

Michel Bergmann

 

Herr Klee und Herr Feld,
 

Arche Verlag

geb.  400 S.
19.95 €

 

 

Ein großes Lesevergnügen bietet uns Michel Bergmann mit dem dritten und abschließenden Teil seiner Teilacher-Trilogie „Herr Klee und Herr Feld".

Die beiden Brüder Moritz und Alfred Kleefeld sind in die Jahre gekommen und haben beschlossen in Moritz Gründerzeitvilla im Westend eine Geschwister-WG zu gründen.

Alfred, alias „Freddy Clay" schwelgt in Erinnerungen an sein zweitklassiges Schauspielerdasein, Moritz, einst Student der Frankfurter Schule, ehemaliger Linker und Professor der Psychologie besteht auf einem koscheren Haushalt (er lässt sich z.B. seinen Kuchen im Café Laumer auf mitgebrachtem koscherem Geschirr servieren).Sie pflegen hypochondrisch ihre Wehwehchen und Marotten und versuchen sich mit eingebildeten Leiden zu überbieten. Sie befinden sich dabei in einem ständigen nervtötenden Kleinkrieg.

Von einem Tag auf den anderen gerät ihre eingespielte häusliche Ordnung ins Wanken als die langjährige Haushälterin Frau Stöcklein, zermürbt von den Schikanen Alfreds, kündigt.

Auf eine Annonce stellen sich 14 Bewerberinnen für die ausgeschriebene Stelle als Hausdame vor. Die Wahl der beiden Brüder fällt, man glaubt es nicht, auf die Plästinenserin Zamira, eine junge Frau aus Hebron, die sie mit ihrer Schönheit und ihrem Charme von Anfang an bezaubert.

„Sie war von außergewöhnlicher Schönheit. Schwarzes Haar, hellbraune Haut, große, dunkle, strahlende Augen mit hohen Brauen. Ihr aufrechter Gang, der ihre Größe noch unterstrich. Sie trug Jeans und Kapuzenjacke. Selbst in dieser einfachen, unauffälligen Kleidung wirkte sie stilvoll und edel."

Von heute auf morgen muss nun Zamira einen koscheren Haushalt führen und meistert die Herausforderung mit unvoreingenommener Spontaneität, wobei es ihr gelingt die beiden alten Kampfhähne auch ab und an mit den Leckerbissen der palästinensischen Küche zu verführen.

Alfred und Moritz übertreffen sich der jungen Frau gegenüber mit Liebenswürdigkeit und Fürsorge und vergessen dabei Zipperlein und Hypochondrie. Stattdessen erobern sich schon bald Eifersucht und Rivalität zwischen den beiden ungleichen Brüdern ihren Platz, und es entspinnt sich eine Art kalter Bruderkrieg. Vergangenes, Unverarbeitetes bricht auf, und in einer Rückschau werden die Biographien der beiden ungleichen Brüder gezeigt. Familiengeheimnisse gelangen an die Oberfläche, schmerzliche Erlebnisse in der Kindheit, Flucht vor den Nazis, Ermordung des Vaters im Konzentrationslager...... dabei passiert „ein halbes Jahrhundert jüdisches Leben in der Bundesrepublik Revue".

Und das Zusammenleben mit Zamira ist auch nicht ganz konfliktfrei: „Jeden Abend Angst vor der Tagesschau. Wie behandelt Israel wieder die Palästinenser? Was ist jetzt wieder und müssen wir uns schämen, uns verteidigen?"

Zamira hält mit ihrer Kritik am israelischen Staat nicht hinterm Berg und bringt Moritz und Alfred zum Überdenken ihrer Standpunkte in Sachen Intifada und Palästinenserpolitik. Über die Auseinandersetzungen am Esstisch ist das Dreigespann jedoch bereit, sich trotz aller Widersprüche und Meinungsverschiedenheiten manchmal einander anzunähern. ..........

 

Zum Autor: Michel Bergmann wird 1945 als Kind jüdischer Eltern in einem Internierungslager in der Schweiz geboren. Nach einigen Jahren in Paris ziehen die Eltern nach Frankfurt am Main. Nach seiner Ausbildung bei der Frankfurter Rundschau wird er freier Journalist. Er entdeckt seine Liebe zum Film und arbeitet u.a. als Autor, Regisseur und Produzent. Seit über fünfzehn Jahren schreibt er Drehbücher für Film und Fernsehen. Der Roman "Herr Klee und Herr Feld" ist der dritte Band von Michel Bergmanns Trilogie (Band 1:Die Teilacher, Band 2: Machloikes)

 

Empfohlen von Monika Rieth

Weitere EmpfehlungenBelletristik  -  Sachbuch  -   Kinder- und Jugendbuch  -  Krimi Diverses