Über die Malerei von Anna Karpowicz-Westner

In den Gemälden der Malerin spielt sich ein geheimnisvolles Lebens ab, das man wie durch ein offenes Fenster betrachten kann. Die Aussicht bietet stimmungsvolle Landschaften, die mal exotisch und fremd, mal bekannt und vertraut wirken. Die Meere glitzern, die Himmel schwimmen vorbei, durch das Fenster dringt die Sonne hinein. Die Farbauswahl hängt von der Tageszeit ab. Die Landschaft pulsiert in einem stillen Rhythmus und umfasst fast immer eine menschliche Gestalt. Die Zeit bleibt stehen. Das erste Morgenlicht. Siesta am Nachmittag. Ein Augenblick vor der Dämmerung. Und darin ein Mensch, der schweigt, überlegt, der da, der präsent ist.

Die Frauengestalten in den Bildern der Malerin, die im Augenblick einer träumerischen Erwartung erstarrt sind, hüten ein Geheimnis. Woran denken sie? Das wissen wir nicht. Nur manchmal erleuchtet das Himmelblau ihre Stirn oder der Schatten bedeckt sie mit dem Grün. In Licht gehüllt, mit dem Pinsel leicht hervorgehoben werden sie zum Teil der Landschaft. In Innenräumen porträtiert, von Gegenständen umgeben und gleichzeitig der Natur so nah gehören sie zwei Welten an: einer realen und einer übernatürlichen. Diese Dualität und auch ihre Ruhe verleihen ihnen Stärke und Außergewöhnlichkeit. Ihre klaren Blicke, ihre Gesichtszüge rufen mir ins Gedächtnis solche Malerinnen wie Frida Kahlo und Paula Modersohn-Becker.

Die Frauen werden manchmal von Männergestalten begleitet. Es sind Begegnungen voller Zuneigung und Nähe, Begegnungen, die diskret, gleichsam aus der Ferne dargestellt sind – aus dem Wunsch heraus, die Intimität zu wahren. Wird eine Frau allein porträtiert, so existiert sie trotzdem in einer Beziehung, indem sie durch das Fenster schaut, einen Brief in der Hand hält, indem sie nachdenkt, sich erinnert und vielleicht auch Sehnsucht hat.
Ein anderes, wiederkehrendes Motiv. Ein Atelier, eine Frau steht and der Staffelei, Farben, Pinsel. Maler und sein Modell. Eine Geschichte über die Begeisterung für Arbeit, für den schöpferischen Prozess, der in der Stille des Ateliers – an einem angefangenen Bild – beginnt.
Blumen, Frauen, Landschaften – Themen, die in der zeitgenössischen Malerei vergessen, zur Banalität verurteilt wurden. Es bedarf eines großen Wagemuts, um in den Zeiten, in denen die Aufmerksamkeit der Betrachter durch Lärm und Schock erregt wird, unermüdlich einem einfachen und klassischen Motiv zu folgen und nach Schönheit und Geheimnis zu suchen. In der Stille des Ateliers trägt die Malerin mit Bedacht und Zärtlichkeit die einzelnen Farbschichten auf. Sie malt ihre Bilder mit Elan, zugleich aber mit Behutsamkeit, mit präzisen Pinselstrichen.
Die Malerin erschafft Welten, die jedes Mal in ihrem Charakter anders sind – irreal, traumhaft, magisch – wie in dem Bilderzyklus "Castillos". Wanderungen auf dem Schlosshügel, Begegnungen zweier Personen, eine Rast unterwegs – all das kann eine unterbewusste Metapher des Lebens sein, in dem ein unbekannter, verschlungener Weg zum Ziel führt. Die im Fluss Badenden tauchen in eine dichte, grüne Umgebung ein. In diesen Aktbildern wird die Körperlichkeit in den Hintergrund verdrängt. Die Schönheit des Körpers hat ihren Ursprung in einer einzigartigen Ausstrahlung, als ob das vom Körper strahlende Licht der menschlichen Energie mit der Seele verbunden wäre – mit etwas, was viel stärker als die Jugend selbst ist.
Die Bilder von Anna Karpowicz-Westner widerspiegeln die Schönheit des Lebens, die in Augenblicken und einfachsten Erscheinungen der Alltäglichkeit enthalten ist. Diese Schönheit ist in den Gestalten, in den Einbuchtungen der Hügel, in den Wolkenschwaden, in den rauschenden Thujen verborgen, sie wurde in schweigenden Trompeten und Kornetten verzaubert, sie blüht in Schnittblumen auf.
Anna Karpowicz-Westner ist eine kompromisslose Malerin. Sie arbeitet mit einer außergewöhnlichen Energie und immer mit derselben Motivation – mit der Faszination für den bloßen Malprozess, für das Leben des Bildes, für das Spiel mit dem Betrachtenden. Ihre Bilder ermutigen zum intimen Nachsinnen. Denn das wirkliche Leben geht in uns vor. Es reicht nur, innezuhalten, um es zu verstehen.
K. K.

„(…) In der Malerei von Anna Karpowicz-Westner zählt die Stimmung – ähnlich wie in der Musik. Das sind bedächtige Kompositionen, stimmungsvolle, durch flüchtige Emotionen gekennzeichnete Bilder - verträumt und ruhig, Neugier erregend und im Lebensrhythmus pulsierend. Fast immer treten dort menschliche Gestalten auf und es herrscht dort vor allem ein allumfassendes Geheimnis. Im Betrachtenden erweckt all das Emotionen – und das ist das vorrangige Ziel.

„(…) In den Bildern erklingt das Echo des Expressionismus und der traditionellen Schule“ Die Malerin (...) erweist den Malern der realistischen Kunstrichtung die gebührende Ehre."

 
Rafal Malecki "Strefa Kreatywna"/Kreative Zone